Kindheitserinnerungen an die Hohestraße in Konzen vor 70 Jahren

von Günter Krings,
 
im Jahre 1949
 
Wir wohnten in Konzen in der Straße, die damals offiziell Neustraße hieß, aber in Konzen nur „Em Bruch“ genannt wurde. Spielkameraden waren genug in dieser Straße, so dass wir als Kinder nicht zum Spielen in die Hohestraße gehen mussten. Trotzdem gibt es von dieser Straße so viele Erinnerungen bei mir wie zu keiner anderen Straße in Konzen. Wir hatten drei Wiesen- und Ackergrundstücke, die wir nur über die Hohestraße erreichen konnten: Gut ein Morgen auf der Hohe, direkt am Wasserbehälter, ein Grundstück am Ende des Steindrichs Gässchens und ein weiteres am Heppenbüchel, das schon zur Gemeinde Eicherscheid gehörte. Dazu kauften wir Brot in der Bäckerei Karl Huppertz. Insofern war die Hohestraße für uns eine der am häufigsten begangenen Straße in Konzen.
 
Wenn man von der Schule kommend die Landstraße überquerte, stand an der Ecke rechts direkt neben der Landstraße und an der Hohestraße das Spritzenhaus. Heute würde man dazu Feuerwehrhaus sagen. Auch dieses kleine Bauwerk hatte den Krieg nicht heil überstanden und war zumindest schwer beschädigt. Welche Geräte die Feuerwehr damals da untergestellt hatte, kann ich nicht mehr sagen, aber für uns Kinder war das auch ein Gebäude, in dem gefangene Kriminelle untergebracht wurden. Aber das dürfte wohl so nicht gewesen sein. Aber für uns Kinder war dieses Gebäude auch das Gefängnis für Konzen.
Nicht weit davon entfernt hatte man kurz nach dem Krieg eine größere Baracke von der Fa. Junker in Lammersdorf aufgebaut, in der die Gottesdienste abgehalten wurden bis zur Wiederherstellung des alten Gotteshauses im Jahre 1954. Für Erwachsene waren Kirchenbänke organisiert worden, die Kinder erhielten lediglich Kniebänke. Die ersten beiden Schuljahre mussten auf den Treppen zum kleinen Chorraum Platz nehmen.
 
Felix Palm war Küster und Spieler auf dem Harmonium, das im Chor-raum stand, wo auch der Kirchenchor seinen Platz hatte. In Erinnerung geblieben sind auch die Mönche, die kurz nach dem Kriege so genannte Volksmission abhielten. Der eine Pater war ein hagerer Mann, der in gewaltigen Höllenpredigten die Moral der Dorfbevölkerung wieder auf Vordermann bringen sollte, der andere Pater war ein rundlicher, gemütlicher Herr, der überhaupt in seinen Predigten nicht tobte, sondern ganz nett vom lieben Gott erzählte. Das sind aber Erinnerungen eines Kindes, die tatsächliche Wirklichkeit mag anders gewesen sein.
 
Wenige Meter oberhalb der Notkirche hatte man einen „Glockenturm“ aus Balken aufgebaut, in dem eine der Kirchenglocken, die den Krieg überlebt hatte, hing und die vom Küster morgens, mittags und abends und zu den Gottesdiensten geläutet wurden. Die Kinder in der Hohestraße konnten es sich manchmal nicht verkneifen, mit einem Stock oder Hammer diese relativ tief hängende Glocke zum Klingen zu bringen.
Blick in die Hohestraße: vorn Haus Blumensath (Scheelches), jetzt Karst, dahinter die Bäckerei Marxe Karl.
 
Ging man die Hohestraße weiter hoch, gelangte man bald zur Bäckerei Marxe, dessen Inhaber damals Karl Huppertz war, dem aber auch der Sohn Paul half. Zu dieser Bäckerei gehörte auch noch ein größerer Bauernhof. In dieser Bäckerei wurden nur drei verschiedene Brote gebacken: Schwarzbrot, Graubrot und Weißbrot. Irgendwann Ende der 40er oder Anfang der 50er Jahre gab es dort auch samstags Brötchen. Wir hatten auf unseren Feldern immer einen Acker, auf dem Roggen eingesät war und der im Spätsommer geerntet wurde. Die geerntete Frucht wurde auf einem Zimmer in unserem Haus gelagert, und wenn wir kein Schwarzbrot mehr hatten, fuhren wir einen Sack Roggen mit dem Leiterwagen zur Mühle – Stillbusch-Mühle oder Rochus-Mühle - , ließen dort das Getreide mahlen und brachten das Mehl zum Bäcker, der dann daraus Schwarzbrote buk. Als Lohn hielt Marxe Karl Brote zurück, wobei ich nicht mehr sagen kann, wie viele Brote das waren. Der Verkaufsraum für Brote in der Bäckerei war eigentlich der Flur, der mit großen, schwarzen Platten ausgelegt war. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch, auf dem die zu verkaufenden Brote ausgelegt waren. „Verkäuferin“ war die Frau von Marxe Karl oder eine der Töchter Rosa oder Odilia. Zu besonderen Anlässen wie Kirmes, Weihnachten, Ostern oder Namenstagen wurden Torten gebacken.
Die Kunden brachten Einmachgläser mit Stachelbeeren, Pflaumen, Apfelkompott oder getrockneten Birnen zum Bäcker und ließen damit Torten backen: Pruumetaart, Appeltaart, Knoscheletaart. Wenn man die Torten samstags abholen ging, nahm man die leeren Einmachgläser, auf denen der Name stand, wieder mit. Da kurz nach dem Krieg noch kein Reis zu erhalten war, wurde auch Fladen aus Griesmehl gebacken – Jressmeelsvlaam. Daneben konnte man auch auf Bestellung Rollkranz oder einfachen Kranz aus Weizenmehl kaufen. Ein häufiges Gebäck für normale Sonntage waren „Plätzjer“, eine ovales Gebäck aus Hefeteig mit Zucker bestreut. Eine Besonderheit dieser Bäckerei war der Weihnachtsspekulatius. Der Teig, dessen Rezept leider nicht aufge-schrieben wurde, wurde in wohl uralten Formen gepresst und dann gebacken. Nach dem Tode von Paul Huppertz (Marxe Paul) ist dieser exquisite Spekulation leider nicht mehr gebacken worden.
 
Gegenüber der Bäckerei Marxe war die Hardt-Mathes-Gasse, an deren Anfang auf der rechten Seite ein kleines Haus stand – a Böjels. Inhaber war Paul Kaulartz, der in diesem kleinen Haus, in dem damals mindestens neun Personen wohnten, einen kleinen Tabakladen hatte, in dem ich den Strangtabak für Großvater - Schustesch Hubert - kaufen musste. Dieser kleine Tabakladen wurde aber schon in den 50er Jahren aufgegeben.
 
Etwas weiter oberhalb war die Bäckerei Isaak, die für Eifeler Ver-hältnisse ebenfalls noch einen großen Bauernhof hatten. Gegenüber dieser Bäckerei stand auf einer Wiese eine größere Halle, in der noch Webstühle standen. Die Wiese und die Halle mit den Webstühlen gehörten Otto Schreiber, in Konzen nur unter dem Namen „Kerechs Öttche“ bekannt. Gewebt wurde in dieser Halle nach dem Krieg nicht mehr, und in den 60er oder 70er Jahren wurde die Halle entfernt.
 
Nicht weit entfernt war etwas oberhalb die Schreinerei von Paul Kreitz, der nach dem Krieg viel zur Reparatur der zerstörten Häuser in Konzen beigetragen hatte. Er schreinerte auch den Altar in der Notkirche, der jetzt im alten Chorraum in der Kirche steht.
 
Gut hundert Meter weiter stand rechts das Haus von Hermännches – die Familie Schmitz. Johann Schmitz, später in Kesternich wohnend und als Langläufer bekannt, hatte irgendwo eine Haarschneidemaschine aufgetrieben und schnitt im Wohnzimmer Kindern und Erwachsenen die Haare. Er war in den 50er Jahren bei Junker in der Dreherei beschäftigt und schnitt dort in der Mittagspause Kollegen die Haare.
Dort, wo die Straße Zum Lutterbach abzweigt, stand und steht die Quirinuskapelle. Die alte Kapelle ließ der damalige Pfarrer Henn abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Diese Kapelle war immer eine Segensstation auf der Fronleichnamsprozession.
Es folgten noch zwei Häuser. Im letzten dieser beiden Häuser wohnte eine Zeitlang die langjährige Lehrerin in Konzen – Fräulein Löhrer, die in Konzen auch unter dem Namen „De Kluck“ bekannt war.
Da die Hohestraße eine abschüssige Straße war, war sie auch zum Rodeln einzigartig geeignet. Es gab in der Zeit kaum Autos oder Traktoren, so dass auf dem festgetretenen Schnee nicht Salz, Asche oder Splitt gestreut wurde. Mit hohem Tempo konnte man auf der glatten Bahn bis zum Spritzhäuschen fahren. Bei optimalen Bedingungen fuhren wir auch quer über die Landstraße, wenn dort jemand stand und signalisierte, dass kein Auto kam. Gut in Erinnerung sind auch die rasanten Fahrten auf der Hohestraße mit dem „Lenkbaren“. Das war ein schneller Schlitten, den einheimische Handwerker gebastelt hatten, auf dem mindestens vier Personen Platz fanden. Konstrukteure waren wohl in der Hauptsache der Schlosser Hörzworms Will von der Hardt (Wilhelm Krings) und der Schreiner Kringse Ewald aus der Breitestraße.
 
"Wenn´s einen berührt"
Karl-Heinz Huppertz, Vorsitzender:
Die Kindheitserinnerungen an die Hohestraße in Konzen von Günter Krings rühren mich natürlich als dort Aufgewachsenen ganz persönlich sehr an. Manches davon war auch in meiner Kindheit noch so, manches hatte sich verändert, und ich könnte ggfs. eine Fortsetzung schreiben – in jedem Fall: hochinteressant!

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